Schon beim Betreten des Theaters konnte man die Energie der Darstellenden wahrnehmen, die maskiert und in einem Freeze das ganze Publikum in ihren Bann zog. Die konstant hohe Energie, die von Beginn an zu spüren war, übertrug sich alsbald auf die Zuschauer und erfüllte den gesamten Theatersaal. Als sich nach dem Freeze die maskierte Masse auf beeindruckende und zugleich nicht genau zu benennende Art und Weise in Bewegung setzte, war es dem Publikum möglich, bereits erste Interpretationsansätze für sich zu ergründen. Im weiteren Verlauf formierte sich die unkoordiniert wirkende Masse immer wieder neu – mal uniform im Gleichschritt, mal aufgespaltet zu einzelnen Personen, sich auf jede erdenklich skurrile Weise bewegend – stets auf der Suche nach der eigenen Ausdrucksform und einer Möglichkeit, in der Gemeinschaft zu bestehen. Erst am Ende gelang es Einzelnen aus der Anonymität der Masse herauszutreten und sich zu demaskieren.
Die Demaskierung war aber nicht nur in dieser Hinsicht Thema, sie kann auch auf einer zweiten Ebene als prägend für den Abend angesehen werden, da es nicht nur um die Anonymität des Einzelnen in der Gesellschaft ging, sondern auch um die Enttarnung des derzeit so populären „Positive Thinking“. Um dies darzustellen, wurde eine Vielfalt von Videomaterial gezeigt. Hiermit konnte auch die Medienwirklichkeit von jungen Menschen plastisch, aber nicht platt nachempfunden werden. Die Videosequenzen stellten sehr schön die Diskrepanz von Realität und Wirklichkeit dar, wie sie sich auf Internetplattformen ausdrückt und damit eine Kritik am unreflektierten Medienkonsum greifbar macht. Mutig gewährten hierbei die Schülerinnen und Schüler ganz individuelle Einblicke in ihre Wohnzimmer und zugleich in ihr Innenleben. Ganz generell war das Stück von persönlichen Erfahrungen der Mitwirkenden geprägt, die keine Scheu davor hatten, ihre Persönlichkeit vor allem auch durch den Einsatz ihrer Körper zum Beispiel im Tanz zum Ausdruck zu bringen.
Gerade das ehrliche Persönliche, das abstrakt wie auch als etwas Alltägliches aufgezeigt wurde, bot jedem einzelnen Zuschauer die Möglichkeit, sich selbst in den verschiedenen Szenen wiederzufinden und eigene Denkansätze zu entwickeln, was durch die prägnante Bildsprache unterstützt wurde.
So war dies sicher für viele Zuschauer mal wieder ein gewinnbringender Theaterabend nach langer coronageschuldeter Kunstabstinenz. Und wenngleich die sehr emotionale Videosequenz mit Erinnerungsstücken der Darstellenden zunächst ein positives und hoffnungsvolles Ende vermuten ließ, so kam es abschließend doch noch zu einem Bruch, der die scheinbare Läuterung der Gesellschaft teilweise wieder aufzuheben schien. So endete dieser Abend nicht einfach gänzlich mit einem Blick durch die rosarote Brille, nein, die vielfältigen Ebenen des Stückes blieben gewahrt. Somit konnten keine klaren Antworten auf das Postulat „Alles wird gut?!“ und auf das WIR IN MIR gefunden werden – und das ist gut so.
Theresa Zintl