„Das Passionierteste, was ich je gemacht habe“: So Robert Schumann über seine große C-Dur-Fantasie von 1835/36, in der seine Zerrissenheit, seine Klage über die Trennung von seiner Geliebten Clara Wieck aufgrund der Vorbehalte von Vater Wieck zum Ausdruck kommt. Sie stand im Zentrum des Klavierabends, den der Münchner Martin Rasch am Anton-Bruckner-Gymnasium, dem Ort seiner Jugend, gab.
Martin Rasch spielt die Werke, die er vorträgt, nicht nur – er erlebt sie. Akribische Einarbeitung in den Notentext und in den biographischen Kontext (mit kundiger verbaler Einführung für das Publikum) verbinden sich mit emotionaler Durchdringung der Kernaussage und Liebe zum Detail. Und so brachte Martin Rasch sehr plastisch die aus innigen Liebesqualen entstandene Leidenschaft des 1. Satzes der Fantasie C-Dur zum Ausdruck, die sich mit Elementen der Phantastik á la Kapellmeister Kreisler (vgl. E. T. A. Hoffmann) paart. Im zweiten Satz gelang Rasch ein schwungvoller Marsch im Sinne seines überschwänglichen Alter Ego Florestan mit furios ausgreifendem Schluss; der melancholische Eusebius (Personifikation des grübelnden, introvertierten Romantikers) kam im so zauberhaften wie zurückhaltenden 3. Satz zu Wort.
Martin Rasch ist immer am Aufzeigen der Zusammenhänge gelegen (wie in den großen Werkzyklen, die er bereits eingespielt hat); so wählte er an diesem Abend zur Eröffnung das Werkfragment der Schubert’schen Sonate C-Dur („Reliquie“ genannt), auf das Schumann durch Ferdinand, den Bruder Franz Schuberts, aufmerksam gemacht wurde. In den zwei Sätzen des 1825 entstandenen Werks brachte Rasch die Natürlichkeit der Melodik (die oft an das Liedschaffen gemahnt) mit großer Tiefe im Ausdruck zusammen – etwa in der überraschenden Dur-Wendung des 2. Themas, das eigentlich in einer entfernten Moll-Tonart steht.
Mit ihren zupackenden, kontrastierenden Charakteren bildeten die 3 Klavierstücke D 946 einen erfrischenden Gegenpol zur Sonate (die kompositorisch gesehen einige „Längen“ enthält). Ohne Effekthascherei – stets im Dienst der Musik – interpretierte Rasch das stürmische es-Moll-Stück (mit einem wunderbar perlenden Lauf im Zentrum), den naiv-pastoral wirkenden Es-Dur-Satz und das C-Dur-„Finale“ des Zyklus, in dessen drängenden Synkopen man einen jugendlichen Wanderer zu hören glaubt, der zwischendurch beschaulich innehält.
Als Beschluss der wunderbaren pianistischen Reise in die Romantik erklang als Zugabe eine Liszt-Fassung des Schumann-Lieds „Widmung“ für Klavier solo. Auf die heilende Kraft der Musik, in diesen Tagen besonders notwendig, könnte man folgende Worte aus dem dazugehörigen Liedtext (Rückert) beziehen: „Du bist die Ruh, du bist der Frieden, Du bist vom Himmel mir beschieden.“